Bettgeschichten
Verehrte Leser, sollten Sie nun auf pikante Details einer Beziehung hoffen, die auf Zweisamkeit beruht und ihre Erfüllung im gemeinsamen Rückzugsort findet, so werden Sie enttäuscht werden. Vielmehr handelt es sich um traurige Eskalationsspirale, wie sie schon viele Paare durchleben mussten. Nur spricht niemand darüber.
Es begann, wie es immer beginnt. Mann trifft Frau. Mann und Frau verlieben sich. Mann und Frau ziehen zusammen.
Wobei es die political correctness natürlich gebietet, dass die Begriffe Mann und Frau je nach Vorliebe vertauscht werden dürfen. Aber zum einfacheren Verständnis eines reiferen Publikums bleiben wir nun bei oben genannten Sachbegriffen.
Wir haben hier demnach ein Pärchen, welches die erste gemeinsame Wohnung bezogen hat. Alles ist schön! Und vor allem gemeinsame Schlafstatt, obwohl klein und beengt, hat gefühlt, die Ausmaße eines Himmelbettes, verortet in Neuschwanstein oder einem ähnlichen Etablissement.
Nun eilen die Jahre durchs Land und aus der kleinen 1,5 Zimmerwohnung wird eine veritable Stadtwohnung. Unser Pärchen, sollte es bis hierhergeschafft haben, ähnlich einem Level dieser neumodischen Handyspiele (ohne Add-in Käufe, wohlgemerkt!) und den Vorsatz verfolgen weiter zu spielen, investiert spätestens jetzt in ein echtes Bett, mit Lattenrost und überteuerten Auflagen des Matratzenkartells. Man kann es sich ja leisten!
So werden aus den einstigen 1,40 m nun 2,40 m. Und aus Baumwollbettwäsche mit Katzendruck, exquisite Satin-Wendebettwäsche. Denn guter Schlaf ist so wichtig.
Und jetzt, ja spätestens jetzt beginnen die Probleme!
Wurde früher die Nacht eng umschlungen verbracht, stellt man nun fest, so mit Abstand betrachtet, dass das Schlafverhalten des Lebenspartners doch einige störende Aspekte aufweist. Feine Nuancen, die einem damals gar nicht so aufgefallen sind.
Es fängt schon bei der Flächenverteilung an. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, wird der Mann des Nächtens nun immer häufiger geschubst und weggestoßen. Hat er doch, während der Nacht die, nicht nur imaginäre Grenze des Schlafgemachs brüsk überschritten.
Nun sind nicht nur in Staatenbeziehungen Demarkationsverletzungen heikel, auch in Mikrogemeinschaften führt es unverzüglich zu Irritationen.
Am Morgen die blauen Flecken bei seiner Holden vorhaltend, entgegnete diese mit einem Schulterzucken: „Dann bleib halt auf deiner Seite!“
Da erst fiel dem Armen auf, dass er beim Erwerb des gemeinsamen Bettes die reellen Platzbedürfnisse nicht bedacht hatte. Wog er doch inzwischen beinahe das Doppelte seiner Angebeteten und dementsprechend hätte selbstverständlich auch Flächenverteilung ausfallen müssen. So etwa 1/3 zu 2/3. Aber diese Gelegenheit hatte er ungenutzt verstreichen lassen.
Aber schließlich gewöhnt sich der Mensch irgendwann an jegliches Martyrium. So auch unser armer Mann. Um eine Zeit reagierte sein geschundener Körper kaum noch auf die nächtlichen Misshandlungen. Sei es, dass die Gute allmählich erlahmte oder vielleicht war ihm auch eine Hornhaut auf der rechten Seite erwachsen.
Aber die Frauen hätten sich niemals eine Teilnahme in unserer Gesellschaft erkämpft, wenn sie gleich aufgegeben hätten. Denken wir da nur an das Wahlrecht. Aus diesem Holz war auch jenes Weib geschnitzt.
So musste sich auch unsere Protagonistin seit Neuestem gegen die ständigen akustischen Bedrängungen im Dunkel der Nacht zur Wehr zu setzen. Und die Waffen der Frauen sind bei Weitem breiter gefächert als das Arsenal des berühmten britischen Geheimagenten ihrer Majestät. Aus dem Köcher der vielfältigen Möglichkeiten zog die Belästigte kurzerhand eine gemeine Waffe, die in ihrer Hinterlist im Grunde nur als boshaft zu bezeichnen war. Eine Boshaftigkeit, die einem Ernst Stavro Blofeld zur Ehre gereicht hätte, um bei dieser Betrachtung zu bleiben.
Sie bediente sich eines Knirschens mit ihren Backenzähnen. Dabei war dieser Ton nicht einmal sehr laut. Dafür aber durchdringend und dermaßen prägnant, dass sogar die Maulwürfe der umliegenden Grundstücke, unter Protest, ihre Bauten verließen.
An Schlaf war bei diesem nervtötenden Geräusch natürlich nicht zu denken. Selbst mit Ohrenstöpseln nicht.
Und so war es fortan an dem armen Mann, sich nach erholsamem Schlaf in Ruhe und Frieden zu sehnen. Allein, sein Wunsch blieb einstweilen unerfüllt.
Denn jenes nervtötende Geräusch drang durch die Ohrmuschel, über das Trommelfell und die Hörknöchelchen vor. Legte sich auf den Hörnerv, um sich dann mit chirurgischer Genauigkeit in sein Gehirn vorzubohren. Ein seichter Schmerz wuchs sich dort zu einem penetranten Kratzen aus, wie seinerzeit Robert Shaw in „Der weiße Hai“ mit seinen Fingernägeln über der Schultafel.
Der Gemarterte befürchtete schon als Zombie tagsüber durch die Straßen wandeln zu müssen, auf der Suche nach einer geeigneten Schlafstätte. Er malte es sich in solch düsteren Farben aus, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen, als plötzlich die Schrauben vollends aus ihren Löchern lösten (wohl eine Folge dieses fiesen Kiefergeräuschs) und das Bett unter einem traurigen Ächzen zusammenbrach.
Die friedlich Knirschende erwachte erschrocken und die Gunst dieses winzigen Augenblicks nutzte der Übermüdete, um sich eiligst in Morpheus Arme zu retten. Erst schlief er ein und krönte seinen taktischen Feldvorteil mit einer beherzten Schnarch Attacke.
Ein heftiges Schnarchen in der Form eines Geräuschpegels, den man ehesten mit dem explosionsartigen Ausbruch des Mount St. Helens, in den frühen 80ern vergleichen könnte.
Als die Erweckte die Situation überblickte und vor allem als sie das infernalische Geröchel ihres Gatten vernahm, packte sie kalte Entschlossenheit. Sie griff sich das erstbeste Kissen in Reichweite und drückte es ihm aufs Gesicht.
Die plötzlich einsetzende Stille auf dem Schlachtfeld ließ das rauschende Blut der Holden allmählich wieder abkühlen. Und mit einem Male wurde ihr die Endgültigkeit ihres Tuns bewusst und sie ließ von ihrem Opfer ab. Denn wenn man es recht bedachte, hegte sie durchaus noch Gefühle für ihn.
Am anderen Morgen saß man gemeinsam am Frühstückstisch. Bei frischem knusprigen Baguette, welches der Ehemann auf so unvergleichliche Art zu backen wusste und man dem Namen Parisette gegeben hatte, in Erinnerung an so manche Reise in die Stadt der Liebe. Gerne genoss man diese knusprige Köstlichkeit mit Camembert und Konfitüre. Es war der gute Mann, der bemerkte, dass er in dieser Nacht ganz wunderbar geschlafen habe. Lediglich ein Traum hätte die Erholung ein wenig beeinträchtigt. Hatte er doch geträumt, jemand wolle ihn mit Hilfe eines Kissens ersticken.
Sie vermied es von ihrer Kaffeetasse aufzuschauen.
Am Ende folgte eine salomonische Entscheidung, wie sie nur Paare zu fällen verstehen, die bereits einiges an Gipfeln und Tälern einer langen Beziehung durchschritten haben.
Man zog in eine neue Wohnung mit getrennten Schlafzimmern. Das sorgte für den nötigen Abstand mit der entsprechenden Freiheit!
Und wenn Sie nicht gestorben sind, lieben sie sich nicht nur heute noch, sondern teilen jeden Morgen ihr köstlich, knuspriges Baguette!
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